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Weiterbildungsförderung einfacher und nicht komplizierter machen – Bildungs(teil)zeit aus Steuermitteln finanzieren

13. Januar 2023

Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Aus- und Weiterbildungsförderung und Einführung einer Bildungszeit (Weiterbildungsgesetz)

ZUSAMMENFASSUNG

Aus- und Weiterbildung sind für die Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit unserer Wirtschaft wichtig. Entsprechend hoch ist der Stellenwert von Aus- und Weiterbildung für die Arbeitgeber. Ihr Engagement in der Ausbildung liegt nur noch leicht unter dem Vorkrisenniveau, zuletzt blieben sogar 69.000 Ausbildungsplätze unbesetzt. Zwei von drei Erwachsenen haben sich 2020 weitergebildet, knapp 70 % aller Weiterbildungsaktivitäten finden während der bezahlten Arbeitszeit statt und die Arbeitgeber haben zuletzt 41 Mrd. € pro Jahr in Weiterbildung investiert. Wir sind insofern bereits eine Weiterbildungsrepublik. Wichtig ist aber: Dort wo Förderung von Weiterbildung erfolgt, muss sie flexibler, effizienter und zielgerichteter werden. Sie muss dort ankommen, wo sie wirklich gebraucht wird und die Zielgruppen erreichet, die von veränderten Anforderungen am ehesten betroffen, aber am wenigsten darauf vorbereitet sind. Immer neue Förderinstrumente führen nur zu noch mehr Komplexität und Unübersichtlichkeit.

Qualifizierungsgeld und Bildungs(teil-)zeit setzen nicht da an, wo es notwendig ist. Unverständlich ist, dass ein bildungspolitisches Instrument wie die Bildungs(teil)zeit aus Beitragsmitteln der Arbeitslosenversicherung finanziert und durch die ohnehin schon stark belastete Bundesagentur für Arbeit (BA) administriert werden soll. Dabei ist das finanzielle Risiko für die Arbeitslosenversicherung sehr hoch. Wenn man Erfahrungen aus Österreich zugrunde legt, erscheint die kalkulierte Inanspruchnahme der Bildungs(teil-)zeit deutlich unterzeichnet. Bei einer vergleich- baren Inanspruchnahme wie in Österreich drohen Kosten, die die BA wieder ins Defizit bringen und den dringenden Aufbau einer Rücklage erheblich erschweren könnte. Je nach Lageentwicklung könnten sogar Beitragssatzanhebungen drohen und damit erneute Belastungen von Beschäftigten und Arbeitgebern.

Die Bildungs(teil)zeit ist von der Zielrichtung kein arbeitsmarktpolitisches, sondern ein rein bildungspolitisches Instrument und muss daher schon aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit steuerfinanziert sein. Denn alle Beitragspflichtigen, insbesondere auch Geringverdienende – die anders als bei der Steuerpflicht bereits vom ersten verdienten Cent Beiträge abführen müssen – finanzieren dann individuelle Weiterbildungswünsche, insbesondere auch gutverdienender Hochqualifizierter. Nur weil offenbar seitens des Bundesarbeitsministeriums keine Steuermittel für die Einführung einer Bildungs(teil)zeit aufgewendet werden sollen oder können und die BA sich für die Administration aller Vorhaben am besten zu eignen scheint, darf die Bundesregierung nicht systemwidrig in die ohnehin stark belastete Beitragskasse der Arbeitslosenversicherung greifen und die auch administrativ stark beanspruchte selbstverwaltete BA als ihr Instrument nutzen. Eine Finanzierung aus der Arbeitslosenversicherung kommt bei der Bildungs(teil)zeit aus weiteren Gründen nicht in Betracht:

Eine Finanzierung durch die Arbeitslosenversicherung kommt nur dann in Frage, wenn konkret Beschäftigung gesichert und Arbeitslosigkeit verhindert wird. Dazu müssen zielgerichtet bestehende qualifikatorische Engpässe adressiert und diejenigen Ziel- gruppen erreicht werden, die derzeit in der Weiterbildung unterrepräsentiert sind und teilweise erheblichen Weiterbildungsbedarf haben. Dafür muss der Arbeitsmarktbezug deutlich enger gefasst werden (§ 87c Abs. 2 SGB III-E). Insbesondere muss die Förderung für eine Weiterbildung mit allgemeinbildendem Inhalt sowie für Maßnahmen zur Erlangung der Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen ausgeschlossen werden (Streichung von § 87c Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 SGB III-E) . Das System der Beschäftigtenförderung verlangt zudem eine Träger- und (sofern bei der Beschäftigtenförderung daran festgehalten werden soll) Maßnahmezertifizierung.

  • Allein die Orientierung der Höhe des Bildungszeitgeldes am Arbeitslosengeld rechtfertigt keine Finanzierung aus der Arbeitslosenversicherung. Auf die Idee käme beim Elterngeld auch niemand.
  • Generell besteht das hohe Risiko, dass gutqualifizierte Beschäftigte und Beschäftigte von Großunternehmen die Förderung als besondere Form eines „Sabbaticals“ in Anspruch nehmen. Eine Inanspruchnahme durch Geringqualifizierte ist eher unwahrscheinlich. Für sie ist die Lohnersatzleistung kein Anreiz, insbesondere nicht, wenn zusätzlich Weiterbildungskosten entstehen.
  • Gerade für KMU besteht ein hohes Risiko, dass Beschäftigte durch die Bildungs(teil)zeit langfristig verloren gehen, weil sich in Zeiten von erheblichem Fachkräftemangel neue berufliche Optionen auftun. Erfahrungen in Österreich zeigen, dass nur 45 % derjenigen, die eine Bildungskarenz in Anspruch nehmen, zu ihrem Arbeitgeber zurückkehren.
  • Die Einführung des neuen bildungspolitischen Instruments einer Bildungs(teil)zeit sollte mit weiteren geplanten bildungspolitischen Maßnahmen wie dem Lebenschancen-BAföG abgestimmt und auch erst gemeinsam mit diesen Maßnahmen umgesetzt und unbedingt befristet und nicht nur evaluiert werden.

Das Qualifizierungsgeld ist unnötig. Weiterbildungsförderung von Beschäftigten durch die BA ist bereits jetzt möglich. Es verkompliziert ein ohnehin bereits komplexes System weiter, schließt Unternehmen aus, die über keine einschlägige Betriebsvereinbarung oder einschlägigen Tarif- vertrag verfügen (Streichung dieser Fördervoraussetzung!) und könnte als „Rentenbrücke“ genutzt werden.

Die Reform der Weiterbildungsförderung Beschäftigter nach § 82 SGB III-E enthält mit der Reduzierung der Fördertatbestände und der Festschreibung der Höhe der Fördersätze richtige Anpassungen, ignoriert aber die echten Hemmnisse und sollte um eine Reduzierung der Mindeststundenzahl von derzeit 120 Stunden, der Schaffung eines eigenen Bundesdurchschnittskostensatzes und den Verzicht auf die Maßnahmezertifizierung ergänzt werden.

Zur Stärkung des Ausbildungsmarktes enthält der Referentenentwurf richtige Ansätze (Berufsorientierungspraktika, Flexibilisierung von Einstiegsqualifizierungen). Mit dieser Fokussierung der Umsetzung der im Koalitionsvertrag genannten „Ausbildungsgarantie“ auf die weitere Stärkung der beruflichen Orientierung sowie auf die Ausbildungsvorbereitung und -unterstützung werden wesentliche Vorschläge der BDA aufgegriffen. Insbesondere ist auch das Bekenntnis zum Vorrang der betrieblichen Ausbildung wichtig. Die außerbetriebliche Berufsausbildung (BaE) kann nur dann eine Alternative sein, wenn alle Vermittlungsbemühungen in geeignete unbesetzte Ausbildungsplätze erfolglos geblieben sind. Hier bleibt der Referentenentwurf zu unkonkret. Das Angebot von BaE muss den konkreten regionalen Bedarfen entsprechen und sich auf Berufe konzentrieren, in denen eine hohe Arbeitsmarktnachfrage besteht. Dies kann nur auf regionaler Ebene unter Einbeziehung der Sozialpartner entschieden werden. Maßgebliches Kriterium bei der Bereitstellung von außerbetrieblicher Ausbildung muss immer das Angebot an unbesetzten Ausbildungsstellen in der Region sein.

Zum PDF-Download des kompletten BDA-Positionspapiers mit allen Details gelangen Sie hier.

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