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Mehr Mut bei der Zuwanderung in Beschäftigung – Tempo machen bei den Verwaltungsverfahren

7. März 2023

Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung und zum Referentenentwurf einer Verordnung zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung.

ZUSAMMENFASSUNG
Die gezielte Zuwanderung in Beschäftigung ist ein wichtiger Baustein zur Abfederung des Fach- und Arbeitskräftemangels und somit zum Erhalt unseres Wohlstandes. Die mit den Referentenentwürfen vorgelegten gesetzlichen Regelungen verbessern zwar den bestehenden Rechtsrahmen, gehen jedoch an vielen Stellen nicht weit genug, um die Erwerbsmigration deutlich zu steigern.

Wesentliches Hemmnis für die gezielte Erwerbsmigration sind die komplizierten und langwierigen Verwaltungsverfahren. Ohne echten Fortschritt in diesem Bereich wird eine Weiterentwicklung des Rechtsrahmens kaum Wirkung entfalten. Der politische Wille dazu ist in den Referentenentwürfen nicht ausreichend erkennbar. Verfahren und Prozesse müssen dringend durch Bund und Länder digitalisiert und die verschiedenen Anforderungen und Formulare der am Verfahren beteiligten Behörden vereinfacht und vereinheitlicht werden. Damit die neuen gesetzlichen Regelungen einfach und digital umzusetzen sind, ist es erforderlich, dass die Bundesregierung die einzelnen Verfahrensschritte und Zuständigkeiten direkt mitdenkt und nicht erst im Nachhinein festlegt. Aus den Referentenentwürfen geht leider deutlich hervor, dass die praktische Umsetzung vieler Regelungen sowie die zuständige Prüfbehörde bislang nicht geklärt ist. Alle beteiligten Behörden im Zuwanderungsverfahren müssen personell, fachlich und finanziell ausreichend ertüchtigt und von unnötigen Aufgaben entlastet werden. Hier ist eine gemeinsame Kraftanstrengung von Bund und Ländern notwendig.

Bei der sog. Westbalkanregelung (§ 26 Abs. 2 BeschV-E) sollte nicht nur das Kontigent verdoppelt, sondern auch die Liste der Staaten erweitert werden. Sie hat sich als eine in der Praxis einfache Regelung für Arbeits- und Fachkräfte bewährt. Wichtig ist, dass das Auswärtige Amt die schon bisher unzureichenden Kapazitäten in den Visastellen dem Bedarf anpasst.

Mit dem Verzicht auf die formale Anerkennung der ausländischen Berufsqualifikation stellt die Einreisemöglichkeit aufgrund von Berufserfahrung (§ 6 BeschV-E) einen notwendigen Paradigmenwechsel dar. Das ist ein richtiger Schritt. Mit der Voraussetzung der im Herkunftsland staatlich anerkannten, mindestens zweijährigen Berufsqualifikation grenzt die Bundesregierung den Anwendungsbereich allerdings wieder ein. Eine flexiblere Handhabung ist aus Sicht der Unternehmen wichtig, damit nicht Fachkräfte mit etwas kürzerer Ausbildung oder aufgrund von einer fehlenden staatlichen Anerkennung der Fach- oder Hochschule ausgeschlossen werden, obwohl sie die nachgefragte Berufserfahrung mitbringen. Auf das Kriterium „staatlich anerkannt“ sollte verzichtet werden. Die Mindestgehaltsgrenze ist relativ hoch im Vergleich zu inländischen Fachkräften und sollte daher herabgesetzt werden, wenn der Gesetzgeber nicht ganz darauf verzichten will. Notwendig ist sie genauso wenig wie die sachfremde Verknüpfung mit der Tarifbindung: Ein angemessener Schutzmechanismus besteht durch die Prüfung der Arbeitsbedingungen durch die Bundesagentur für Arbeit (BA).

Der teilweisen Verknüpfung der Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte mit der Tarifbindung des Arbeitgebers in §§ 6 und 15d BeschV-E bedarf es nicht. Sie ist ein Verstoß gegen die negative Koalitionsfreiheit. Zumindest ist es notwendig, dass auch eine mittelbare Tarifbindung im Wege einer Bezugnahme im Arbeitsvertrag auf tarifliche Entgeltvereinbarungen die Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt.

Die neue Regelung zur kurzzeitig kontingentierten Beschäftigung (§ 15d BeschV-E) wird für saisonale Bedarfe genutzt werden können. Den Bedürfnissen von vielen Unternehmen, die Bedarf an einer längerfristigen Beschäftigung von Arbeitskräften haben, entspricht das nicht. Die Regelung bietet auch den Beschäftigten keine Perspektive und Integrationschance in Deutschland. Sie sollte deshalb zumindest um die Option eines längeren Aufenthalts ergänzt und der Wechsel in andere Aufenthaltstitel unter Berücksichtigung der bisherigen Beschäftigung ermöglicht werden.

Das weitere Festhalten am Beschäftigungsverbot in der Zeitarbeit (§ 40 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG-E) ist nicht nachvollziehbar. Zeitarbeitsunternehmen verfügen über etablierte Strukturen und langjährige Erfahrungen bei der Auswahl, Betreuung und Weiterbildung von Menschen aus dem Ausland. Insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) brauchen für die Anwerbung, erfolgreiche Durchführung des Visumverfahrens, ggf. Nachqualifizierung und Integration ausländischer Beschäftigter Unterstützung, die die Zeitarbeit bieten kann.

Bei den zusätzlichen Anforderungen und Sanktionsregelungen für Arbeitgeber (§ 45c AufenthG-E, § 40 Abs. 3 Nr. 1 und 6 AufenthG, § 36 Abs. 4 Nr. 2 und 4 BeschV-E), die die Informations- und Nachweispflichten für Unternehmen erhöhen und Rechtsunsicherheit schaffen, bedarf es Nachbesserungen. Unbestimmte und unklare Regelungen im Rahmen der Erteilung und Versagung der Zustimmung (insbesondere § 36 Abs. 4 Nr. 2 und 4 BeschV-E) sollten konkretisiert werden, damit eine rechtssichere Handhabung möglich wird. Unternehmen müssen wissen, wann ein schwerwiegender Verstoß gegen einen Tatbestand angenommen wird.

Die Chancenkarte (§ 20a AufenthG-E) droht zu einer verpassten Chance zu werden. Durch die Einbeziehung von Personengruppen, die bisher nicht auf anderem Wege einreisen konnten, würde zusätzliches Potential und somit ein echter Mehrwert geschaffen werden. Die Umsetzung der komplexen Chancenkarte sollte zentral durch eine Bundesbehörde, wie dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) oder dem Bundesamt für auswärtige Angelegenheiten (BfAA) erfolgen.

Es fehlt an gesetzlichen Regelungen, durch die Anerkennungsverfahren vereinfacht und beschleunigt werden können. Die Bundesregierung sollte z. B. gesetzlich festlegen, dass Unterlagen auch auf Englisch eingereicht werden können. Das spart Zeit und Kosten, weil auf die Übersetzung verzichtet werden kann. Auch sollte die Beratung von Zuwanderungsinteressierten zur beruflichen Anerkennung aus Mitteln des Bundes verstetigt werden.

Gerade in der Zuwanderung von jungen Menschen liegen für Deutschland viele Chancen. Die Einreisemöglichkeiten für junge Talente sollten nicht durch Altersgrenzen wie bei der Ausbildungsplatzsuche oder andere starre Vorgaben verhindert werden.

Die detaillierte Erklärung finden Sie hier als PDF-Download

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