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Deutschland braucht deutlich mehr Schwung bei der Verwaltungsdigitalisierung

10. Februar 2023

Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Onlinezugangsgesetzes sowie weiterer Vorschriften (OZG-Änderungsgesetz – OZG-ÄndG)

Zusammenfassung
Die öffentliche Verwaltung ist nicht nur für Bürgerinnen und Bürger, sondern auch für die Unternehmen in Deutschland von großer Bedeutung. Mit einer Vielzahl an Behördenkontakten ist die deutsche Wirtschaft größter „Kunde“ der Verwaltung. Daher müssen ihre Bedürfnisse im OZG-ÄndG eine größere Rolle spielen. Eine funktionierende digitale Verwaltung ist ein wichtiger Standortfaktor, um den Wirtschaftsstandort Deutschland attraktiv zu halten und Innovationen zu fördern. Im europäischen Vergleich hinkt Deutschlands Verwaltung bei der Digitalisierung deutlich hinterher: Bei der Verwaltungsdigitalisierung belegt Deutschland lediglich Platz 18 von 27 (Digital Economy and Society Index 2022).

Zwar hat das Onlinezugangsgesetz (OZG) von 2017 einen gewissen Schwung in die Verwaltungsdigitalisierung gebracht, es blieb aber weit hinter den Zielen und den Erwartungen der Nutzer zurück. Das Ziel, bis Ende 2022 alle 575 OZG-Leistungen zu digitalisieren, wurde deutlich verfehlt. Daher ist es umso bedauerlicher, dass auch beim vorliegenden Referentenentwurf ein großer Wurf ausbleibt.

Mit dem geplanten Verzicht auf eine Frist zur Digitalisierung von OZG-Leistungen entfällt jeder Anreiz, die Umsetzung zu beschleunigen. Daher sollte im Gesetzentwurf zumindest eine Meilensteinplanung mit Zwischenzielen aufgenommen werden. Darüber hinaus muss das OZG-ÄndG um einen Anspruch auf eine digitale Abwicklung von Verwaltungsleistungen ergänzt werden, der nach einer gewissen Übergangszeit greift und sich zuerst auf die prioritären Leistungen beziehen könnte.

Bei der Verwaltungsmodernisierung bedarf es einer klaren Gesamtstrategie und nicht nur einer Fokussierung auf das Frontend, also den Zugang zu Verwaltungsleistungen. Die Digitalisierung im Backend wird erneut weitgehend außer Acht gelassen. Das hat zur Folge, dass weiterhin Anträge, die online eingehen, ausgedruckt, bearbeitet und wieder eingescannt werden. Um die Verfahren zu beschleunigen, bedarf es einer klugen Ende-zu-Ende-Digitalisierung.

Zudem fehlt es erneut an einer Verzahnung des OZG-ÄndG mit weiteren wichtigen Digitalisierungsvorhaben, wie u. a. der Registermodernisierung. Nur mit vollständig digitalisierten und vernetzten Registern ist eine effiziente Ende-zu-Ende-Digitalisierung von Verwaltungsleistun-gen und die Umsetzung des Once-Only-Prinzips möglich.

Es ist zudem darauf zu achten, dass bestehende analoge Verfahren nicht 1:1 ins Digitale übersetzt werden, sondern ganze Prozesse neu und ganzheitlich gedacht werden. Übergeordnetes Ziel muss auch die Nutzerfreundlichkeit und die einfache Bedienbarkeit der IT-Komponenten sein.
In dem vorliegenden Referentenentwurf wurde es versäumt, Regelungen für eine Überarbei-tung der Governance-Strukturen zu treffen. Diese erzeugen nach wie vor erhebliche Orientierungs- und Koordinierungsaufwände, führen zu einer äußerst ineffizienten Mittelverwen-dung und sind kaum in der Lage, eine bundesweite Flächendeckung und Skalierungsfähigkeit digitaler Verwaltungsleistungen sicherzustellen. Eine Gesamtsteuerung aus einem Guss muss das Ziel sein.

Bund und Länder müssen rechtlich, technisch und organisatorisch enger abgestimmt zusammenarbeiten, damit die Verwaltungsdigitalisierung besser vorankommt. Das OZG-ÄndG sollte konsequent darauf ausgerichtet werden, ein praxistaugliches Fundament aus Basisdiensten und -infrastrukturen sowie Standards zu schaffen, auf dem ein innovatives Ökosystem nutzerfreundlicher Verwaltungsdienstleistungen entstehen kann.

Die Positionen im Detail finden Sie hier als Download.

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