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EU-Regulierung von Wertschöpfungsketten muss handhabbar werden

1. Februar 2023

Gemeinsamer Appell zur geplanten Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit.

Die deutsche Wirtschaft, organisiert in BDI und BDA, unterstützt die Idee, die globale Wirtschaft resilienter zu gestalten und die Nachhaltigkeit auch im Rahmen von Lieferketten weiter zu fördern. Bereits heute ist das Engagement deutscher Unternehmen, innerhalb ihres Einflussbereichs in Entwicklungs- und Schwellenländern zu mehr Nachhaltigkeit auf allen Ebenen beizutragen, deutlich zu erkennen.

Der Berichtsentwurf zur Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit der federführenden Berichterstatterin Lara Wolters im Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments aus dem November 2022 verschärft den Entwurf der Kommission noch einmal deutlich zu Lasten der Wirtschaft. In dieser Form wird die Richtlinie verstärkt zu mehr Bürokratie, Rechtsunsicherheit und letztendlich zum Rückzug europäischer Unternehmen aus Risikogebieten führen. Die zur Versorgungssicherheit notwendige Diversifizierung der Lieferketten droht durch die EU-Richtlinie erschwert zu werden.

Die deutsche Wirtschaft fordert eine europäische Richtlinie mit Augenmaß, die europäische Unternehmen im globalen Wettbewerb unterstützt, damit der notwendige Schutz von Menschenrechten und Umwelt im Zusammenspiel von Staaten und Unternehmen gefördert werden kann. Voraussetzung hierfür ist, dass Unternehmen in diesen Bereichen überhaupt Einfluss nehmen können. Hier gilt es, praktische Grenzen anzuerkennen.

Vor diesem Hintergrund halten wir die folgenden Punkte für unverzichtbar:

  • Das grundlegende Ziel von Rechtsetzung für Nachhaltigkeit muss ein Maximalmaß an Harmonisierung sein.
    Ohne hinreichend verbindliche Harmonisierung durch eine Richtlinie droht die Fragmentierung des EU-Binnenmarkts, da innereuropäisch nicht die gleichen Gesetze und Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen gelten. Hier bedarf es im Mindesten einer sogenannten Binnenmarktklausel. Andernfalls sind europäische Unternehmen mit 27 verschiedenen Einzelumsetzungen konfrontiert. Darunter leidet auch der Vorbildcharakter für das EU-Ausland.
  • Die Einhaltung von Sorgfaltspflichten muss sich nur auf den Bereich der Lieferkette und hier auf die direkten Zulieferer beschränken.
    Eine Betrachtung der vollständigen Wertschöpfungskette ist praktisch nicht umsetzbar und führt unvermeidbar zu einer Überbürokratisierung nicht nur bei kleinen und mittleren Unternehmen. Auch innerhalb der Lieferkettenstruktur sollte es für Unternehmen möglich sein, ihre Überwachung zu gewichten und zu priorisieren.
  • Der Schwellenwert des Anwendungsbereichs muss mindestens bei 1000 Mitarbeitern liegen.
    Die Überwachung diverser Sorgfaltspflichten ist aufwendig und personalintensiv, daher sind nur größere Unternehmen in der Lage, die Vorgaben der Richtlinie umzusetzen. Zudem schafft der Vorschlag keine wirklich gleichen Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen aus Drittländern.
  • Die Regelungen zu Sondersektoren mit eigenen Schwellenwerten müssen gestrichen werden.
    Um auf das unterschiedliche Risiko in verschiedenen Bereichen zu reagieren, ist ein dementsprechender Ansatz, wie in den UN Guiding Principles vorgesehen, zielführender und für die Unternehmen handhabbarer.
  • Die gesonderten Vorgaben speziell für Mitglieder der Unternehmensleitung sind zu streichen.
    Zusätzliche Regelungen im Gesellschaftsrecht stellen eine überflüssige Verdopplung innerhalb der Richtlinie dar und verkomplizieren ihre Umsetzung für die Unternehmen unnötig.
  • Die Liste der einzelnen Sorgfaltspflichten im Annex der Richtlinie muss gekürzt werden.
    Einzuhaltende Sorgfaltspflichten müssen für Unternehmen handhabbar und rechtssicher sein. Ein pauschaler Verweis auf Pflichten aus internationalen Abkommen überfordert Unternehmen in der Umsetzung und Einhaltung. Hier sollte eine Reduktion auf die klaren Regeln der UN Guiding Principles erfolgen.
  • Eine zusätzliche, zivilrechtliche Haftung muss aus dem Richtlinienentwurf gänzlich gestrichen werden.
    Eine zivilrechtliche Haftung muss sich im Kern nur auf die eigenen zurechenbaren Handlungen beschränken, so sehen es bereits die nationalen Rechtssysteme in der EU vor. Gerade in diesem Bereich sind im Hinblick auf die Rechtssicherheit klare Definitionen unverzichtbar für Unternehmen.
  • Unternehmen brauchen klare Vorgaben und die passenden Unterstützungsmaßnahmen.
    Eindeutige Leitlinien insbesondere beim Zusammenspiel und der Überschneidung mit bestehenden oder zukünftigen Regelungen auf diesem Gebiet sind für Unternehmen unerlässlich. Zusätzlich sollte die Möglichkeit bestehen, die Sorgfaltspflichten auf Konzernebene zu organisieren. Dabei muss auch die Bedeutung und Anerkennung von Multi-Stakeholder-Initiativen und Branchenstandards zur Unterstützung sowie zur Erfüllung von Sorgfaltspflichten stärker hervorgehoben und festgehalten werden.

BDI und BDA fordern das Europäische Parlament und den Rat der EU daher auf, diese Vorschläge und Bedenken in der laufenden Legislativdebatte und auch im Rahmen der Zusammenarbeit in den Trilogverhandlungen zu berücksichtigen. Die deutsche Wirtschaft ist bereit, sich bei der Ausgestaltung eines realistischen und handhabbaren Vorschlags aktiv zu beteiligen.

In diesem Zusammenhang unterstützt die deutsche Wirtschaft nachdrücklich die gemeinsame Erklärung von BusinessEurope mit weiteren europäischen Wirtschaftsverbänden, die Sie zu Ihrer Information unter diesem Link finden.

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