Presse

UVN: Gemeinsamer Appell zur Energiepreiskrise – Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände schlagen Alarm!

16. September 2022

  • Positionspapier der Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände vorgestellt.
  • Auswirkungen der steigenden Energiekosten werden unterschätzt.
  • Wir fordern die Reduzierung der staatlichen Steuern und Abgaben auf ein Minimum und die Entkopplung des Gas- und Strommarktes durch eine Preisdeckelung der zur Stromproduktion genutzten Gasmenge.

Im Downloadbereich links (von oben nach unten):

Christoph Meinecke 
Stellv. Hauptgeschäftsführer 
Unternehmerverbände Niedersachsen e.V. (UVN) 
„Die Lage für die Wirtschaft ist sehr ernst, ernster als durch die Corona-Pandemie. Unsere industrielle Wertschöpfung, das gesamte Modell Deutschland steht auf dem Spiel. Energie darf nicht mehr die Melkkuh sein. Ein Prozent Inflation bedeuten zehn Milliarden für den Staat. Der Staat muss die Abgaben reduzieren, das Energieangebot verbreitern und das Strommarkt-Design ändern. Direkte Hilfen dürfen nicht die erste Wahl sein, sondern Angebotsseite, Abgaben und Strommarktdesign bieten Lösungsmöglichkeiten.“

Vehid Alemić 
Hauptgeschäftsführer 
Verband der Ernährungswirtschaft e.V. (VdEW) Niedersachsen–Bremen–Sachsen-Anhalt 
„Die unaufhörlich steigenden Strom- und Gaspreise bringen immer mehr Unternehmen an den Rand der Insolvenz. Die Unternehmen der Lebensmittelwirtschaft treffen die Preissteigerungen wegen der hohen Energiebedarfe besonders hart. Bis zu 30 Prozent der Unternehmen in der Branche sind laut einer Umfrage des Verbands der Ernährungswirtschaft (VdEW) konkret von der Insolvenz bedroht, wenn die Energiekosten nicht kurzfristig sinken. Hochgerechnet auf die gesamte Branche in Deutschland könnte das den Verlust von bis zu 200.000 Arbeitsplätzen und einen Zusammenbruch der Versorgungskette mit Lebensmitteln bedeuten.
Die Unternehmen müssen im Vergleich zum Vorjahr teilweise mehr als das Fünfzehnfache an Energiekosten zahlen. Das sind teilweise Millionenbeträge. Vor allem kleinen und mittleren Unternehmen fehlt dafür die Liquidität. Bleiben die Preise so, bedeutet das für tausende Betriebe in Deutschland das Aus.“

Silke Weyberg 
Geschäftsführerin 
Landesverband Erneuerbare Energien Niedersachsen | Bremen e.V. 
„Außerordentliche Gewinne der Branche können unter deren Einbeziehung für die Transformation des Energiesystems hin zu einem günstigeren Erneuerbaren System genutzt werden. So sollten wir die Biogasnutzung als Regel- und Ausgleichsenergie ausbauen. Das kann gelingen durch Vereinfachung der Inputstoff-Änderung, insbesondere der Reststoffnutzung sowie Erhöhung der Leistung und durch Konzepte für Gasdirekteinspeisung. Für Wind brauchen wir jetzt eine sehr schnelle Regionalisierung der Flächenziele, um unter zügiger Umsetzung der Regelungen im Bundesnaturschutzgesetz in rechtssichere Genehmigungsverfahren einzusteigen. Außerdem müssen wir die Speicherinstrumentarien schnell voranbringen, um die stetig steigende Redispatch-Leistung zu verringern und vorhandene Netze besser zu nutzen. Dazu gehört die Stärkung regionaler Kreisläufe und direkter Versorgungskonzepte, auch für die Industrie. Die Kommunen müssen zügig Flächen für die Errichtung von Freiflächen-Photovoltaikanlagen ausweisen. Zudem muss der Dachflächen-PV-Ausbau erleichtert und vorangetrieben werden.“

Weitere Statements – in alphabetischer Reihenfolge nach Verband 

Markus Wagemann 
Geschäftsführer 
Allianz für Sicherheit in der Wirtschaft Norddeutschland e.V. (ASW) 
„Wir als Allianz für Sicherheit in der Wirtschaft Norddeutschland e.V. unterstützen den Appell der UVN an die Politik vollkommen und begrüßen, wie zielorientiert und fokussiert sich die UVN diesem Thema widmen. Energiekrise bzw. Krisenzustände allgemein gehen immer Hand in Hand mit Fragen rund um die Sicherheit. Auch unsere Mitglieder sind besorgt in Hinblick auf unkalkulierbar wachsende Energiekosten, Blackout-Szenarien und damit direkt verbunden neue Bedrohungslagen. Des Weiteren laufen wir Gefahr, dass Innovationstreiber, Hidden-Champions des Mittelstands, also das Rückgrat der deutschen Wirtschaft, in das europäische Ausland abwandern. Laut einer Umfrage des Bundesverbands der Allianz für Sicherheit in der Wirtschaft, an der im August 2022 insgesamt 91 Unternehmen teilgenommen haben, planen derzeit über fünf mittelständische Unternehmen schnellstmöglich Deutschland als Produktionsstandort komplett zu verlassen.
Es ist Zeit zu handeln – mit Sicherheit.“

Jörn P. Makko 
Hauptgeschäftsführer 
Bauindustrieverband Niedersachsen-Bremen e.V. 
„Die Bauindustrie ist überwiegend indirekt, dafür massiv betroffen. Der Faktor Energie verschärft den ohnehin kritischen Mix aus Zins, Lieferkette und Inflation. Unsere industriellen Zulieferer sind so erheblichen Mehrkosten für Energie ausgesetzt, dass es existenzbedrohend werden kann. Und wenn essentielle Zulieferprodukte weder zeitlich noch preislich verlässlich beschafft werden können, belastet das jede Baumaßnahme.”

Alexander Warstat 
Geschäftsführer  
ChemieNord – Arbeitgeberverband für die Chemische Industrie in Norddeutschland e. V. 
„Als chemische Industrie warnen wir eindringlich davor, dass die Energiepreise zum Stopp der energieintensiven Produktion führen. Der seit Monaten steigende Druck auf unsere Unternehmen durch drastische Preissteigerungen für Strom, Gas und andere Energieträger bringt die Industrieproduktion in Deutschland in akute Gefahr. Immer mehr Chemieunternehmen aus Norddeutschland schlagen Alarm und sehen sich in der aktuellen Lage gezwungen, über gravierende Maßnahmen wie die Schließung von energieintensiven Produktionsanlagen bis hin zum Arbeitsplatzabbau nachzudenken. Die aktuelle Energiepreisentwicklung lässt ihnen keinen Spielraum mehr, ihre für viele Wertschöpfungsketten wichtigen Produkte können sie zu diesen Preisen nicht mehr verkaufen. Gegen diesen Teufelskreislauf müssen jetzt dringend wirksame politische Maßnahmen ergriffen und umgesetzt werden, denn Deutschland verliert im Wettbewerbsvergleich nicht nur gegen die USA, China oder Indien, sondern auch im europäischen Preisvergleich. Oberste Priorität muss deshalb jetzt die Einführung eines einheitlichen Industriepreises für Strom und Gas auf EU-Ebene haben. In anderen EU-Mitgliedstaaten wurden statt zusätzlicher Belastungen bereits drastische Entlastungen für Unternehmen und Verbraucher beschlossen. Es ist nicht weiter hinnehmbar, dass Deutschland hier so zögerlich agiert.“

Thomas Bremer 
Vorstand FÖRDERVEREIN NACHHALTIGE WIRTSCHAFT E.V. (FNW) und stellv. Vorsitzender Institut der Norddeutschen Wirtschaft e.V. (INW) 
„Bauen muss bezahlbar bleiben! Der Energiepreis spielt dabei eine ganz zentrale Rolle – von der Rohstoffbeschaffung über die Verarbeitung bis hin zum Transport bremsen uns heute bereits die Kosten aus. Gemeinsam mit der Verknappung der Rohstoffe, wachsender Bürokratie und langwierigen Genehmigungsverfahren wird die Bundesregierung ihr Ziel, jährlich 400.000 neue Wohnungen zu bauen, nicht erreichen.“

Benjamin Sokolovic 
Hauptgeschäftsführer  
Gesamtverband Verkehrsgewerbe Niedersachsen (GVN) e. V. 
„Bitte seien Sie nett zu unseren Fahrern. Noch immer sind Fahrer schwerer zu bekommen als Kunden.“

Mark Alexander Krack 
Hauptgeschäftsführer 
Handelsverband Niedersachsen-Bremen e.V. (HNB) 
„Nach zwei extrem aufzehrenden Jahren mit vielen Einschränkungen durch die Corona-Pandemie für breite Teile des Handels, stoßen nun die Einzelhandelsbetriebsformen aller Branchen und Größenklassen durch die ihnen gegenüber aufgerufenen Steigerungen der Energiekosten an die absoluten Grenzen der Belastbarkeit. Wenn bei den Handelsverbänden hierzulande sich tagtäglich Mitgliedsbetriebe melden, von denen beispielsweise einer aus dem Lebensmitteleinzelhandel von einer Kostensteigerung bei Energie von aktuell rund 3.000 Euro monatlich auf 34.500 Euro im Monat und die nächste aus dem Bereich eines kleineren Warenhauses in ländlich strukturiertem Einzugsgebiet von monatlich rund 3.700 Euro auf 8.700 Euro berichten, dann wird jedem schnell klar, dass den Betrieben angesichts solcher Entwicklungen die Luft zum Atmen genommen wird. Existenzen stehen angesichts dieser Herausforderungen – mit allen daraus ableitbaren Folgewirkungen in der Wirtschaft, der Gesellschaft und den Strukturen unseres Landes – auf dem Spiel und die Politik ist gefordert, zielgerichtet zu handeln, damit die Betriebe überleben können.“

Karl-Heinz Bley MdL 
Präsident 
Landesverband des Kfz-Gewerbes Kfz-Techniker-Handwerks e. V. 
„Das Kfz-Gewerbe fordert gezielte Unterstützung der Kfz-Betriebe beim Abfedern der Energiepreisexplosion Die horrenden Energiepreise fressen die ohnehin schmalen Margen der Kfz-Betriebe auf. Im 65 Milliarden Euro umfassenden Maßnahmenpaket III der Bundesregierung fehlen klar definierte Hilfen für die mittelständische Wirtschaft. Unsere Autohäuser und Werkstätten mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sind das Herz des Mittelstands, denn ohne uns ist die individuelle Mobilität in unserem Land nicht aufrecht zu erhalten.
Viele Betriebe fürchten um Ihre Existenz und damit um die Arbeitsplätze vieler Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Regierung muss sich fragen lassen, ob für eine systemrelevante Branche nicht gezielte und massive Unterstützungsmaßnahmen notwendig sind, um die Verkehrssicherheit sowie die für unsere Volkswirtschaft unverzichtbare Mobilität mit Pkw und Lkw in gewohnter Weise zu gewährleisten.
Die Leidtragenden sind am Ende auch die vielen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die ohne ihr Auto nicht auskommen könnten, und insbesondere auch die gewerblichen Kunden, die auf betriebsbereite Fahrzeugflotten angewiesen sind. Wir brauchen für unsere Betriebe dringend Entlastung bei den Energiekosten. Der Mittelstand trägt dieses Land entscheidend mit, und dafür muss er in solch einer Krise gestärkt werden.“

Kerstin Tack 
Vorsitzende 
Paritätischer Wohlfahrtsverband Niedersachsen e.V. 
„In Niedersachsen sind 230.000 Menschen in der Sozialen Infrastruktur tätig, davon vertritt der Paritätische Wohlfahrtsverband Niedersachsen e.V. mit seinen 870 Mitgliedsorganisationen 80.000 Beschäftigte. Die Angebote reichen von Tageseinrichtungen für Kinder, die Eingliederungshilfe, Inklusionsassistenz, Beratungsstellen, die ambulante, teil-stationäre und stationäre Pflege über Krankenhäuser bis zu Hospizen und vielem mehr. Eine Verzehnfachung, gar Verfünfzehnfachung der Energiekosten kann die Soziale Infrastruktur nicht verkraften. Insbesondere energieintensive Teile der Versorgung wie Pflege und Krankenhäuser können diese Mehrkosten nicht kompensieren. Aber auch viele kleinere Einrichtungen wie eine Kita, eine Beratungsstelle oder projektfinanzierte Angebote sind in ihrer Erlösstruktur und in ihrer Refinanzierung nicht auf einen solchen Preisschock vorbereitet. Erschwerend kommt hinzu, dass gestiegene Preise nicht zeitnah zumindest in Teilen weitergegeben können. Dazu bedarf es umfangreicher Nachverhandlungen der Entgelte. Ein Verlust an Versorgung hätte tiefgreifende volkswirtschaftliche Probleme zur Folge, da Fachkräfte dem Markt entzogen würden, die dann privat Versorgungslücken – etwa bei der Betreuung von Kindern oder Pflegebedürftigen – kompensieren müssten. Das kann nicht unser Interesse sein. Um die soziale Infrastruktur aufrecht zu erhalten und abzusichern, ist daher jetzt zügiges und wirkungsvolles staatliches Handeln nötig.“

Stephan v. Friedrichs 
Geschäftsführer 
Verband Beton- und Fertigteilindustrie Nord e.V. 
„Aufgrund der gestiegenen Energiepreise und CO2 Abgaben steigen die Preise für Baustoffe zukünftig weiter deutlich an. Eine Umfrage des Verband Beton- und Fertigteilindustrie Nord (VBF Nord) hat ergeben, dass unsere Mitglieder einen Preisanstieg für Zement im Jahr 2023 von bis zu 65 Prozent erwarten. Da Zement ein wichtiger Bestandteil von Beton ist, wird auch der Preis für Beton deutlich steigen. Mit der Verteuerung weiterer Zuschlagstoffe könnte der Preis für Beton um 50 Prozent steigen.
Wenn das so weiter geht, wird bauen nicht nur zum Luxusgut, sondern bald unbezahlbar“, warnt Geschäftsführer Stephan v. Friedrichs.

Dr. Wilfried Holtgrave 
Präsident 
Verband der nordwestdeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie 
„Wenn die Unternehmen mit dem Rücken zur Wand stünden, wäre das schon komfortabel, weil sie dann wenigstens Halt hätten. Aber sie stehen am Abgrund und die Politik verhält sich leider so, als handele es sich nur um eine Treppenstufe, die sie allenfalls etwas ins Stolpern bringen könnte. Die Unternehmen brauchen jetzt schnelle Hilfe. Sie stehen jetzt in Verhandlungen über Lieferverträge für Strom und Gas mit ihren Versorgern und bekommen jetzt absurd hohe Forderungen präsentiert mit Preisen, die zum Teil mehr als eine Verzehnfachung bedeuten. Das bedroht bislang gesunde Unternehmen mit guter Auftragslage in ihrer Existenz. Gleichzeitig greifen die aufgelegten Entlastungsprogramme nicht, weil sie viel zu bürokratisch sind, den industriellen Mittelstand benachteiligen und viel zu hohe Hürden haben, um überhaupt Hilfen beantragen zu können. Es ist sicher richtig, den Privathaushalten zu helfen, die fürchten müssen, demnächst in kalten und dunklen Wohnungen zu sitzen, weil sie die Rechnungen nicht bezahlen können. Es muss aber unbedingt vermieden werden, die Zahl dieser Haushalte noch zu steigern, indem Arbeitslosigkeit produziert wird, weil industrielle Arbeitsplätze verloren gehen. Die Preise für Energie müssen unbedingt runter. Dann braucht man auch keine aufwändigen Umverteilungsprogramme.“

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